Als Pastoralreferent in der Tourismuspastoral
Von Michael Wrage
Die Tourismuspastoral ist ein wichtiger kirchlicher Schwerpunkt im Bistum, so sind Seelsorgerinnen und Seelsorger der verschiedenen Berufsgruppen in diesem Bereich vor Ort tätig. Als Pastoralreferenten arbeiten zur Zeit zwei Personen in diesem Feld. Zielgruppen sind je nach Ort unterschiedlich gewichtet Urlauber und Kurgäste. Im Hinblick auf die Kurgäste ist festzuhalten, dass der Kuraufenthalt oder die Anschlussheilbehandlung meist wohnortfern sind und länger dauern als der vorausgegangene Krankenhausaufenthalt. So kommen viele der Patienten in die Situation zu überlegen, wie sie mit der neugewonnenen Kraft oder der Erfahrung der (fehlenden) Gesundheit zukünftig umgehen wollen.
Die am Urlaubsort tätigen Seelsorger und Seelsorgerinnen
- halten die Frage nach dem christlichen Sinn menschlichen Lebens wach
- stiften dazu an, sich selbst zu finden und die Beziehung zum Mitmenschen, zur Umwelt und Schöpfung und zu Gott in die Balance zu bringen
- verstehen sich als pastorale und geistliche Wegbegleiter
Gleichzeitig bieten die Seelsorger christliche Sinnvermittlung durch ihr konkretes Engagement an. Sei es ein gut gestalteter Gottesdienst (z. B. am Strand), ein Gespräch, eine absichtslose Begegnung an der Kirchentür, eine Bildmeditation zur Nacht, ein interessanter Vortrag, ein Kirchenkonzert, eine gute Kirchenführung oder eine sehenswerte Ausstellung im Kirchenraum, für all diese Möglichkeiten ist der Mensch in seiner Freizeit aufgeschlossener. Veranstaltungsangebote und Begegnungen wollen helfen, die Sehnsüchte des Menschen nach seiner eigentlichen Bestimmung zu wecken.
Die Tourismuspastoral greift das Unterwegssein der Menschen auf. Sie nimmt die mobile Gesellschaft und die häufig auch innere Rastlosigkeit und Suche der Menschen ernst und setzt Zeichen der Solidarität, der Wegbegleitung und der Nähe. Die Zeit ist im persönlichen Empfinden heute so wertvoll geworden, dass möglichst viel erlebt werden will. Dies gilt noch einmal verstärkt in der „wichtigsten Zeit des Jahres“, der Urlaubszeit. Für viele Menschen in unserer Gesellschaft gehört diese Zeit zur populärsten Form des individuellen Glücks.
Zum Sommer 2000 bin ich aus dem Pastoralteam einer Hamburger Innenstadtgemeinde gewechselt an die Westküste Schleswig-Holsteins in die touristisch geprägte Region nach St. Peter-Ording. Mit dem Auftrag der (Weiter)Entwicklung der Tourismusseelsorge in Verbindung mit den Bedingungen der zahlenmäßig kleinen und flächenmäßig großen katholischen Kirchengemeinde vor Ort. Eine nach wie vor reiz- und anspruchsvolle Herausforderung, die aber auch eine große Berufszufriedenheit mit sich bringt. Wenn sich bei ca. zehn Monaten im Jahr (Zeitraum der Kur- und Urlaubersaison, natürlich mit Schwankungen) alle zwei Wochen das soziale Feld derjenigen, die Kontakt zur Kirche/Gemeinde suchen, fast komplett auswechselt, dann ergibt sich hieraus eine eigene kirchliche Wirklichkeit. Menschen die da sind bzw. gezielt kommen bilden für die Zeit ihres Aufenthalts „Gemeinde auf Zeit“! Sie sind mehr als nur Gäste, von denen man froh ist, wenn sie wieder gehen, „weil sie den eigentlichen Ablauf stören“.
Als „Gemeinde auf Zeit“ wird so heute vorgelebt, wie Kirche in Zukunft auch aussehen wird. In der Tourismusseelsorge werden mit den gemeindlichen Grundaufgaben Personen und Zielgruppen erreicht, die über die Territorialgemeinde nicht erreicht werden. In der Art und Weise, wie Tourismuspastoral in Öffentlichkeit und Gesellschaft hineinwirkt, erreicht sie Glaubende, Glauben Suchende und Menschen, die Kirche nicht kennen.
Im (religiösen) Erleben vieler Menschen im Urlaub, auch derjenigen aus den katholischen Ecken Deutschlands, ist die Konfession nicht mehr ein Alleinstellungsmerkmal. So wichtig jeweils für sich gute katholische und evangelische Gottesdienste sind, so zukunftsweisend ist das ökumenische Engagement im touristischen Bereich. Im Sinne einer Bündelung kirchlicher Kräfte und der gegenseitig Ergänzung (und nicht Konkurrenz) fachlicher Kompetenz werden Menschen neu für die Botschaft Jesu ansprechbar. Und gelebte, erfahrbare Ökumene verändert natürlich auch Kirche. So darf ich auf viele geglückte Beispiele zurückblicken. Ein Höhepunkt bisher ist die (bundesweit ausgeschriebene) Verleihung des ökumenischen Missionspreises des Vereins „Andere Zeiten“ aus Hamburg gewesen. Daraufhin konnten wir das Karkenschipp (= Kirchenschiff) bauen, das ab 2008 jeweils in den Sommermonaten am Strand steht, zu verschiedensten Veranstaltungen einlädt und auch als Spielschiff dient.
© Pastoralreferent Michael Wrage
Tourismuspastoral in
St. Peter-Ording,
Sprecher der Tourismuspastoral im Erzbistum Hamburg (bis 2018)
heute im Geistlichen Zentrum und Ehrenamtskoordination, Lübeck