Als Pastoralreferent in der Seemannsmission

Von Sebastian Fiebig

Als Pastoralreferent war ich drei Jahre für die Katholische Seemannsmission Stella Maris in Hamburg verantwortlich. Die Einrichtung steht in Trägerschaft des Erzbistums und ist der Pastoralen Dienststelle angegliedert. Seemannsclub, Kapelle und Büro lagen in der Nähe der Landungsbrücken in Hamburg. Inzwischen ist die Seemannsmission mitten im Hafen ansässig.

Aufgabe der Seemannsmission ist die seelsorgliche und soziale Begleitung der Seeleute in ihrer besonderen Lebenssituation:

  • Seeleute leben fern von ihrer Heimat und Familie.
  • Seeleute leben auf dem Schiff mit Menschen unterschiedlicher Religionen, Kulturen und Nationalitäten zusammen.
  • Seeleute leben ohne Trennung von Arbeitsplatz und privatem Lebensraum.
  • Seeleute leben ohne festen Rhythmus und sind Gefahren wie Piraterie ausgesetzt.

Aufgabenschwerpunkte waren Schiffsbesuche im Hafen, Gespräche mit Seeleuten verschiedenster Nationen, Gottesdienste an Bord, Schiffssegnungen, die Ausbildung und Begleitung von Ehrenamtlichen, Öffentlichkeitsarbeit, Büroleitung, Fundraising, Netzwerkarbeit und Verwaltung.

Vieles in der konkreten Arbeit ist nicht zwangsläufig an ein Theologiestudium gebunden. Für Spenden zu werben, den Kleinbus um Container zu lenken oder einen Internetauftritt zu entwickeln lernt man nicht an der Theologischen Fakultät. Meine theologische Ausbildung ist mir bei meiner Arbeit dennoch hilfreicher gewesen, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Ein auch theologisch reflektiertes Tun ist in der Seemannsmission unabdingbar. „Seid stets bereit“, mahnt der Verfasser des 1. Petrusbriefes, „jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“

  • Aus heiterem Himmel fragt die Deckswache auf Englisch: „Wie ist das eigentlich bei euch Katholiken mit Maria? Ich hab gehört, ihr betet die an. Man darf doch nur Gott anbeten.“
  • Der Radioreporter eines christlichen Senders überrascht mich mit der Frage: „Gibt's ein Gebet, was Sie für Seeleute sprechen möchten?“
  • Ein Besucher merkt kritisch an: „Die Einrichtung heißt Seemannsmission. Wollen Sie wirklich noch Seeleute missionieren? Was bedeutet das Wort heute?“
  • Die Reederei ruft an und berichtet aufgeregt: „Einer unser Seeleute ist beim Ablegen tödlich verunglückt. Können Sie schnell kommen und mit der Besatzung sprechen?“

Nicht nur die konkreten Anforderungen und Situationen im Berufsalltag, sondern die Grundlage allen Tuns braucht theologische Vergewisserung. Welche Ziele verfolge ich in der Seelsorge? Wie will ich ihnen näherkommen? Als Pastoralreferent möchte ich mithelfen, Glauben und Kirche in der Welt der Seeleute sichtbar und erfahrbar werden zu lassen. Dabei hilft das Denken an die Grundfunktionen der Kirche:

  • Martyria (Zeugnis): Den Glauben unter Seeleuten verkünden und bekennen und diese selbst dazu ermutigen. Im Gespräch, durch Schriften, mit einem verschenkten Rosenkranz.
  • Leiturgia (Gottesdienst): Den Glauben gemeinsam mit den Seeleuten feiern und lebendig halten. In der Messfeier, einer Schiffssegnung, einem Gebet, den Sakramenten.
  • Diakonia (Dienst am Menschen): Den Glauben tun, indem die Seeleute konkrete Hilfestellung erfahren und auch einander helfend beistehen können. Im Mitbringen von Zeitungen aus der Heimat, durch ein Telefonat im Club, durch Weihnachtsgeschenke, durch Gremienmitarbeit.
  • Koinonia (Gemeinschaft): Die Gemeinschaft der Seeleute als Gemeinschaft von Christen auf jedem Schiff stärken und festigen. Durch gemeinsame Ausflüge, vermittelnde Gespräche, ein offenes Ohr.

Weltweit war ich der einzige Pastoralreferent in einer Seemannsmission. Ansatzweise von Ausbildung und Einsatz vergleichbare Mitarbeiter gibt es noch in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. An vergleichbarer Stelle in Deutschland waren früher Priester tätig. In meiner Rollenfindung konnte ich also kaum auf Vorbilder zurückgreifen. Ich stand vor einigen Fragen:

  • Welcher Kollege kann mir Vorbild in meiner konkreten Arbeit mit den Seeleuten sein? Es gibt Priester, Diakone, Sozialarbeiter, aber keine Pastoralreferenten. Unser Beruf ist kein Mix aus allem, sondern etwas Eigenständiges.
  • Mit welchen Fachleuten kann ich mich austauschen? Die nächsten „echt vergleichbaren“ Kollegen arbeiten im Ausland.
  • Wie gehe ich mit anderen Rollenbildern mir gegenüber um? Für philippinische Seeleute, die meinen Beruf nicht kennen, bin ich als Mann im kirchlichen Dienst erstmal „Father Sebastian“, also Priester. Die Seeleute aus vielen Ländern kennen „Stella Maris“ gut, es gibt uns in der ganzen Welt unter diesem Namen. Doch deren Mitarbeiter sind entweder Priester und Theologen oder Laien und Nicht-Theologen. Die Tatsache, daß ich zugleich Laie bin (also nicht geweiht) und Fachmann (in Sachen Theologie), hat manchen verwirrt.

Bei meinen Fragen merkte ich immer wieder, dass ich bei Stella-Maris-Mitarbeitern weltweit und auch im Vatikan auf offene Ohren und Herzen gestoßen bin. Die weltumspannende Kirche war mir hier sehr deutlich eine Hilfe. Die Internationalität, die unser Bistum ohnehin ausmacht, wird in der Seemannsmission noch potenziert: Seeleute aus zig Nationen, regelmäßiger Austausch mit Kollegen im Ausland – multinationaler kann Seelsorge kaum sein.

 

© Pastoralreferent Sebastian Fiebig, Hamburg
Leiter der Fachstelle Seemannsseelsorge (bis 2008)
heute in der geistlichen Begleitung und theologischen Bildung haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter einer Pfarrei, Hamburg