Als Pastoralreferent in der Krankenhausseelsorge

Von Hubert Sieverding

Seit 2005 arbeite ich als Krankenhausseelsorger in der Universitätsklinik in Lübeck. Dies ist ein Haus der Maximalversorgung, das heißt, dass nahezu alle Patienten der näheren und weiteren Umgebung mit schweren Krankheitsbildern hier Aufnahme finden. 1200 Patientenbetten in 615 Zimmern, 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 44.000 stationäre Patienten pro Jahr (2004), dazu weitere 98.000 ambulante (2004). Die Patienten hatten 2004 eine Verweildauer von durchschnittlich acht Tagen.

Die Zahlen machen deutlich, dass die Krankenhausseelsorge nur ein Bruchteil von diesen Menschen – Patienten, Angehörige, Mitarbeiter – erreichen kann, denn unser ökumenisch aufgestelltes Team umfasst gerade mal zweieinhalb Stellen: eineinhalb evangelische Pastorenstellen und eine katholische Seelsorgerstelle.

Als Team arbeiten wir sehr eng zusammen. Jeder von uns hat feste Stationen, die mehrmals in der Woche besucht werden. Darüber hinaus gibt es eine Rufbereitschaft rund um die Uhr, die wir uns aufteilen, so dass jeder auch mal komplett frei hat und sein Handy ausschalten kann. Auf dem gemeinsamen Telefon der Seelsorge landen dann Anrufe der Stationen, die nicht regelmäßig besucht werden können, oder von akuten Notfällen, wo ein zeitnahes Handeln notwendig ist. Meistens sind es Pflegekräfte, die uns Patienten/innen oder auch Angehörige melden, die gerne von uns besucht werden möchten. Ganz häufig werden wir dabei zur Krisenintervention gerufen: jemand steckt gewaltig in einer Krise, weil die Diagnose ihn umgehauen hat oder weil seine Lebensperspektive sich massiv verändert hat. Auch Beziehungsprobleme, Totgeburten, der bevorstehende Tod eines Angehörigen, Fragen nach Schuld und Sinn im Leben gehören zu unserem „Alltagsgeschäft“. Oft ist uns vor einem Besuch nicht klar, was der Andere von uns erwartet, ob es ein Gespräch, eine rituelle Handlung, ein stilles gemeinsames Aushalten oder etwas anderes ist. Hinzu kommen etliche Störungen, die kaum zu verhindern sind: Mehrbettzimmer, Reinigungskräfte kommen plötzlich rein, eine Infusion ist gerade durchgelaufen und das Gerät fängt an zu „piepen“ und vieles mehr. All dies kostet viel Kraft.

Was hilft mir, all das Schwere gut auszuhalten?

  • An erster Stelle möchte ich unser gut funktionierendes Team nennen. Durch den regelmäßigen Austausch schaffen wir es, das „Schwere“ gemeinsam zu schultern.
  • Darüber hinaus ist mir meine Gottesbeziehung eine wichtige Stütze. Ich kann jederzeit Gott all das anvertrauen und übergeben, was ich allein nicht mehr schaffen kann, was über meine Kräfte oder Möglichkeiten geht. Ich lege es in seine Hände.
  • Mir persönlich tut es auch gut, nach Feierabend zu meiner Familie zurückzukehren. Bei drei Kindern springt mir das Leben förmlich entgegen, wenn ich nach Hause komme.
  • Hinzu kommen regelmäßige Supervisionsstunden, die mir manche Zusammenhänge aufzeigen und verdeutlichen.

Seitdem ich in der Krankenhausseelsorge arbeite, habe ich schon so manche „Sternstunde“ erlebt. Damit meine ich unter die Haut gehende „Kairos-Erfahrungen“: das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein und eine ganz intensive positive Erfahrung miterleben zu können. Und dies trotz oder gerade wegen all der Schwere, die uns vor Ort umgibt.

 

© Pastoralreferent Hubert Sieverding, Lübeck
Krankenhausseelsorger in der Universitätsklinik Schleswig-Holstein, Campus Lübeck